Leben in Zeiten einer Pandemie

Hätte uns jemand von eineinhalb Jahren gesagt, wie unser Leben heute aussehen würde, hätten wir diesen Menschen als jemanden angesehen, der einen Hang zu Dystopien hat. Und doch, die Pandemie hat vieles im Leben verändert und ob es je wieder ein "wie-vor-der-Pandemie" im uns bekannten Sinn geben wird, ist noch gänzlich ungeklärt. Tatsächlich werden wir uns an ein Leben mit einer neuen Krankheit wohl gewöhnen müssen. 

Mich persönlich hat die Pandemie eher auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Ich hatte nicht wirklich etwas auszustehen. Mein Job war zu keiner Zeit gefährdet, ich habe "normal" gearbeitet, hatte keine Kurzarbeit und nur gelegentlich blieb ich im Homeoffice. In unserer Familie ist weder jemand an Covid19 gestorben oder auch nur daran erkrankt. Auch der engere Freundeskreis blieb bislang gesund. Im weiteren Freundeskreis und unter den Kollg:innen gab es durchaus einige Erkrankungen, auch mit teilweise heftigen Verläufen, aber alle wurden weitestgehend wieder gesund. Unsere Familie rückte deutlich näher zusammen.

Was mich wirklich mehr betraf, waren die Kontaktbeschränkungen. Freudinnen treffen, gemeinsame Unternehmungen, Kaffeeklatsch mit Strickbeteiligung, Essen gehen: das alles fiel weg. Ich war fast nur noch zu Hause (von der Arbeit mal abgesehen) und strickte, las und werkelte überwiegend alleine auf dem Sofa. Irgendwann ersetzten Zoom-Meetings oder Jit.si-Treffen die persönliche Ebene, was trotzdem etwas völlig anderes ist und reale Treffen nicht ersetzen kann. Aber ich nutzte diese "stille" Zeit, dachte über verschiedene Ereignisse der vergangenen Jahre nach und schloss damit Frieden. Ich entschied mich, nach vorne und nicht länger zurück zu schauen. Und diese Entscheidung tut mir gut. Neue Ideen ließ ich zu, lernte kleine Stücke auf dem Webrahmen zu weben, kaufte mir eine Supported Spindle, wickelte Knöpfe und fand zur meditativen Wirkung des Stickens zurück.

Viele Dinge entstanden in meinem Kopf, Notizbücher füllten sich mit Entwürfen und Ideen. Ich besorgte und sammelte Material, um jederzeit starten zu können. Ich begann mit einem Creative Journal, um endlich zu begreifen, wie viel ich tatsächlich nebenbei mache. Neue Techniken hielten Einzug in meinem kreativen Leben, der Tellerrand ist nicht mehr das Ende meine Sichtweise (wobei er das eigentlich ohnehin nie gewesen ist). 















Natürlich ist mir sehr bewusst, wie privilegiert mein Leben ist und ich weiß das nun viel mehr zu schätzen, als ich das früher tat. Ich habe mich an vielen Stellen zurück gezogen, mag mich nicht mehr unter Druck setzen lassen und mache wieder viel mehr mein eigenes Ding, als wie ein Lemming jedem Trend hinterher zu laufen. Es geht mir besser damit. Ich setze jetzt andere Prioritäten und die Meinungen von anderen Menschen sind mir weitestgehend egal. Ich muss nicht mehr jedem gefallen, schließlich gefallen mir ja auch nicht alle anderen Menschen. 

Ich freue mich auf die Zukunft, auf Stricktreffen und gemeinschaftliche Ausflüge und Reisen, auf neue Ideen und deren Umsetzung, auf Dinge, die ich plane neu zu lernen und auf Dinge, die ich unbedingt noch einmal aufgreifen möchte. 

Kommentare

  1. Guten Aabend, zu Dir,
    Mir geht es mit manchem ähnlich wie Dir - mit anderem ganz anders.
    Als Solo-Selbständige in psychologischer Beratung und tätig in der Erwachsenenbildung als freie Mitarbeiterin bzw. bezahlte Referentin, ist mir ein Großteil der Arbeit weggebrochen. Manches konnte ich auf virtuell umstellen - leider nicht alles. Dafür gab es unterschiedliche Gründe, die oft außerhalb meines Einflussbereichs lagen und liegen.
    Der enge Kontakt zu Familie, Freundinnen und Menschen fehlt mir in der Tat auch.
    Auch ich habe manches entdeckt - z.B. das Malen. Ich habe noch mehr geschrieben als vorher und viel gelesen und ausprobiert..
    Und ja, auch ich weiß, dass ich trotz allem privilegiert bin.
    Was ich mitnehme in ein Leben mit oder irgendwann ohne Corona, das ist sicher ein viel stärkeres Gefühl dafür, was wichtig ist. Außerdem noch einmal verstärkt die eRkenntnis, wa machbar ist, wenn frau sich traut.
    Dir wünsche ich eine gute Zeit und Gelingen für deine Vorhaben.
    Herzlich
    Judith

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